Kontext - Phthalates werden vielfach Kunstoffen beigemengt, damit sie weich und biegsam werden.
Um Kinder vor möglichen gesundheitlichen Auswirkungen zu schützen, werden bestimmte Phthalate nicht mehr in den Spielwaren und in den Babyartikel benutzt. Jedoch wurden in manchen Schulsachen – wie Radiergummis, Taschen oder Federmappen – Phthalate gefunden.
Könnte regelmäßig an solchen Artikeln kauen ein Gesundheitsrisiko darstellen?
Eine Stellungnahme des Wissenschaftlichen Ausschusses Gesundheit und Umweltrisiken (SCHER) der Europäischen Kommission
Die Antworten auf diese Fragen sind eine sinngetreue Zusammenfassung eines wissenschaftlichen Gutachtens, das in 2008 durch den den wissenschaftlichen Ausschuss "Neu auftretende und neu identifizierte Gesundheitsrisiken" (SCHER) veröffentlicht wurde: "
Phthalate sind eine Gruppe chemischer Verbindungen, die bei der Herstellung von Kunststoffen wie z.B. PVC verwendet werden, um diese weicher und biegsamer zu machen. Wenn Phthalate in Verbraucherprodukten enthalten sind, können sie freigesetzt werden, weil sie in den Kunststoffen chemisch nicht fest gebunden sind. Dies könnte dazu führen, das Menschen ihnen ausgesetzt werden, was Besorgnis in der Bevölkerung erweckt hat. Es gibt viele verschiedene Phthalate mit verschiedenen Eigenschaften, Verwendungszwecken und gesundheitlichen Auswirkungen.
Auf Grund ihrer möglichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat die Europäische Union die Verwendung von sechs Phthalaten in Produkten für Kinder verboten. So wurde die Verwendung von DEHP, DBP und BBP in allen Spielzeugen und Babyartikeln verboten, die Verwendung von DINP, DIDP und DNOP ist nur in Artikeln verboten, an denen Kinder lutschen oder herumkauen könnten.
In einer vor kurzem durchgeführten Studie hat die Dänische Umweltschutzbehörde (EPA) verschiedene Phthalate in Schulsachen - einschließlich in Radiergummis - gefunden und die Schlussfolgerung gezogen, dass die untersuchten Gegenstände im Allgemeinen keine Gesundheitsrisiken bergen, wenn sie auf üblicher Weise verwendet werden.
Die dänische Studie warnte jedoch, dass einige der untersuchten DEHP-haltigen Radiergummis Gesundheitsrisiken bergen könnten, wenn Kinder regelmäßig an ihnen lutschen und herumkauen.
Auch könnte es sein, dass einige Hersteller jetzt andere Phthalate verwenden, deren Verwendung in Verbraucherprodukten nicht verboten ist.
2.1 Im Rahmen der von der Dänischen Umweltschutzbehörde (Dänische EPA) durchgeführten Studie, wurden eine Reihe derzeit im Handel erhältlichen Schultaschen, Spielzeugsäcken, Federmappen und Radiergummis untersucht, um zu sehen, welche chemische Stoffe sie enthalten, in welchen Mengen und wie viel freigesetzt wird, wenn Kinder auf ihnen herumbeißen oder an ihnen lecken.
Die Schulsachen, die als am wichtigsten eingeschätzt wurden, sind Radiergummis, da sie aufgrund ihrer geringen Größe für wiederholtes Kauen in Frage kommen. Von den 26 im Detail analysierten Radiergummis enthielten drei DEHP und sechs DINP. Einige der anderen Schulsachen enthielten auch geringe Mengen an DIBP oder DBP. Im Allgemeinen wurden die untersuchten Schulsachen für Kinder als gesundheitlich unbedenklich erklärt, mit Ausnahme von DEHP-haltigen Radiergummis.
Der Wissenschaftliche Ausschuss Gesundheit und Umweltrisiken (SCHER) der Europäischen Kommission stimmte der Dänischen EPA zu, dass von allen untersuchten Schulsachen, Radiergummis die einzigen sind, die bedenklich sein könnten, da es Kindern möglich wäre, wiederholt an ihnen zu lutschen oder auf ihnen herumzukauen. Mehr auf Englisch
2.2 Auf Grund verschiedener Mängel hinsichtlich ihrer Durchführung und der gezogenen Schlussfolgerungen erachtet der SCHER jedoch die dänische Studie als ungeeignet für eine angemessene Risikobewertung der möglichen Belastung durch Phthalate aus Radiergummis. In der Tat wurde die Menge Phthalate, die in künstlichem Speichel übergeht, nur für einen Radiergummi gemessen und auf einer Art und Weise, die wahrscheinlich zu großen Überschätzungen der wahren Werte geführt hat. Das angewandte Untersuchungsverfahren wies außerdem noch andere Schwächen auf, daher sind die Ergebnisse äußerst unsicher. Mehr auf Englisch
Die Belastung von Kindern mit DEHP und DINP durch Lecken und Kauen von einem Radiergummi hängt davon ab, wie lang sie ihn im Mund behalten, wie viele kleine Stücke sie schlucken, wie viel von den Phthalaten in den Speichel oder in den Magensaft übergeht und wie der Stoff vom Körper aufgenommen wird.
Die Studie der Dänischen EPA schätzt ab wie viel Phthalat in den Speichel übergeht, wenn ein Kind einen Radiergummi eine Stunde pro Tag im Mund hat. Dieser Fall wird durch den Wissenschaftlichen Ausschuss Gesundheit und Umweltrisiken (SCHER) der Europäischen Kommission als angemessener Extremfall (Worst-Case-Szenario) angesehen. Es wird angenommen, dass die Gesamtheit der Phthalate im Speichel oder Magensaft vom Körper aufgenommen werden. Der Faktor, der am schwersten einschätzbar ist, ist die Menge Radiergummi, die geschluckt wird, nachdem Stücke abgebissen wurden; und dies ist die größte Unsicherheitsquelle dieser Bewertung.
Mit diesen Annahmen führen die Extremfall-Szenarien zusammengenommen zu einer Belastung, die viermal höher ist als die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) von DEHP. Allerdings ist das Lecken an Radiergummis und das Verschlucken von Radiergummistücken eine kurzlebige Angewohnheit und ist es unwahrscheinlich, dass Kinder auf diese Weise große Mengen Radiergummi verschlucken. Die Expositionsdauer ist kurz und Phthalate werden vom Körper schnell umgewandelt und ausgeschieden. Daher ist hier ein Vergleich solcher kurzzeitigen Belastungen, die auf der Annahme von Extremfall-Szenarien beruhen, mit der tolerierbaren täglichen Aufnahmemenge, welche für eine regelmäßige Belastung während des ganzen Lebens ausgelegt ist, nicht angemessen.
Die EU- Risikobewertungen (RAR) von verschiedenem Phthalaten haben die wahrscheinliche Belastung durch Lebensmittel, Materialien und die Umwelt abgeschätzt.
Obwohl bisher wenig darüber bekannt ist, wie DEHP und andere Phthalate vom menschlichen Körper aufgenommen, umgewandelt und ausgeschieden werden, und wie sich die Belastung verschiedener Altersgruppen unterscheidet, so ist doch bekannt, dass die durchschnittliche Belastung von Kindern ungefähr zweimal so hoch ist wie die von Erwachsenen. Hierbei könnten unterschiedliche Lebensweisen und Essgewohnheiten sowie von den Kindern geschluckter Hausstaub eine Rolle spielen. Die Ernährung, insbesondere fetthaltige Nahrung, ist für den Grossteil der DEHP-Belastung von Erwachsenen verantwortlich, während sie nur die Hälfte der von Kindern aufgenommenen DEHP-Menge ausmacht, was vermuten lässt, dass es für Kinder andere bedeutende Belastungsquellen gibt.
Obgleich DEHP in den 1990er Jahren das meistverwendete Phthalat in Verbraucherprodukten war, ist es seitdem aufgrund von gesundheitlichen Bedenken zunehmend durch DIDP ersetzt worden. Diese Umstellung im Gebrauch spiegelt sich auch in einer Änderung der Belastung durch diese beiden Phthalate wieder. Die Belastung der Allgemeinbevölkerung durch DEHP wurde anhand von Urinproben eingeschatzt und liegt im Durchschnitt deutlich unter der tolerierbaren täglichen Aufnahmemenge (TDI). Jedoch können einige Bevölkerungsgruppen, insbesondere Menschen, die sich medizinischen Behandlungen wie beispielsweise Dialyse unterziehen, weitaus mehr belastet werden und somit den TDI erreichen oder sogar überschreiten.
Im Fall der anderen durch die EU-Risikobewertungsberichte beurteilten Phthalate liegen die Belastungen mit Ausnahme von DBP unter der tolerierbaren Dosis. Ein erheblicher Anteil der Bevölkerung könnte DBP-Mengen ausgesetzt sein, die über dem TDI liegen, daher sind weitere Anstrengungen nötig, um die Belastungen zu verringern.
Die derzeitigen Erkenntnisse über die gesundheitlichen Auswirkungen der Belastung des Menschen durch ein bestimmtes Phthalat beruhen vorwiegend auf Tierversuchergebnissen.
Werden gewisse Belastungswerte überschritten, so können die verschiedenen Phthalate bei Tieren ein schädliche Auswirkung haben. Für jedes Phthalat werden die schädlichen Wirkungen, die bei den niedrigsten in der Toxizitätsprüfung genutzten Dosen auftreten, als kritische toxische Effekte bezeichnet.
Diese kritischen toxischen Effekte umfassen Auswirkungen auf die Fortpflanzung (DEHP, BBP, DBP, DIBP), auf die Entwicklung (BBP, DBP, DIBP), auf die Leber (DINP, DIDP, DNOP) und auf die Schilddrüse (DNOP).
Aufgrund der verfügbaren Versuchsergebnisse wurde für den für Menschen tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) für die unterschiedlichen Phthalate festgelegt, mit Ausnahme von DNOP und DIBP. Die TDI ist eine Schätzung der Menge, die Menschen ohne merkliches Gesundheitsrisiko täglich im Laufe ihres Lebens aufnehmen können.
Phthalat | Kritische toxischer Effekt auf | Tolerierbare tägliche Aufnahmemenge in mg pro kg Körpergewicht pro Tag | EU-Verbot |
---|---|---|---|
DEHP | Fortpflanzung | 0,05 | Verboten in allen Spielzeugen sowie Baby- und Kosmetikartikeln |
BBP | Fortpflanzung und Entwicklung | 0,5 | |
DBP | 0,01 | ||
DINP | Leber | 0,15 | Verboten in Spielzeugen und Babyartikeln, die Kinder in den Mund nehmen könnten |
DIDP | |||
DNOP | Leber und Schilddrüse | Kein TDI verfügbar | |
DIBP | Fortpflanzung und Entwicklung | - |
Der Wissenschaftliche Ausschuss Gesundheit und Umweltrisiken (SCHER) der Europäischen Kommission kommt zu dem Schluss, dass die Phthalate, die von der Dänische Umweltschutzbehörde in den untersuchten Schulsachen gefunden wurden, nicht wesentlich die Gesamtmenge der durch Kinder aufgenommenen Phthalate erhöhen.
Anhand von Urinproben von Menschen unterschiedlichen Alters wurde die Schlussfolgerung gezogen, dass in der der Allgemeinbevölkerung die Gesamtbelastung durch einzelne Phthalate unter der tolerierbaren täglichen Aufnahmemenge (TDI) liegt, außer im Fall von dem Phtalat DBP, für welches noch weitere Anstrengungen erforderlich sind, um die Belastungen zu verringern. Die Belastung durch DEHP könnte bei bestimmten Bevölkerungsgruppen, wie Patienten, die medizinische Behandlungen, wie beispielsweise Dialyse folgen, die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge überschreiten.
Selbst wenn Kinder Stücke von Radiergummis abbeißen und schlucken, sieht es der SCHER als unwahrscheinlich an, dass diese Belastung zu gesundheitlichen Schäden führt.
Auf jeden Fall betont der Wissenschaftliche Ausschuss die große Unsicherheit der durch die Dänische EPA durchgeführten Bewertung und empfiehlt weitere Untersuchungen.
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